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PresseEcho

22.06.2005
taz

Lehrstelle selber zubereiten

Das Netzwerk Berliner Schülerfirmen will durch Zusammenarbeit mit Unternehmen lernschwachen Schülern den Einstieg in den Beruf erleichtern. Die Bilanz ist noch mager, denn Lehrstellen sind knapp.

Heute ist Nancys letzter Schultag. Dass sie darüber traurig sein würde, hätte sie vor drei Jahren nicht geglaubt. Als sie damals an die Loschmidt-Oberschule kam, hatte sie überhaupt keine Lust auf Unterricht. Deshalb ist sie oft erst gar nicht hingegangen. Aber dann sah der Alltag ganz anders aus, als die heute 19-Jährige gedacht hatte: Neben dem üblichen Pflichtprogramm haben die Schüler der Berufsschule 18 Stunden Fachpraxis pro Woche. Den verbrachte Nancy in der Catering-Schülerfirma LOS - Liefern ohne Stress, die für Veranstaltungen bei Firmen wie der Deutschen Bank fertiges Essen liefert und serviert.

Das fand sie gleich "viel besser als Englisch und so". Denn hier fühlt sie sich gebraucht. Und sie hat viel gelernt: "Am besten find ich das Servieren. Da muss man die Hand auf den Rücken legen, lächeln und die Leute ansprechen. Ich frag dann immer: Möchten Sie noch 'n Häppchen?"

Die Loschmidt-Oberschule ist nicht die einzige Schule, die durch praktische Arbeit in Schülerfirmen Lust am Lernen vermitteln will. Alle 46 Berliner Schulen mit sonderpädagogischem Förderbedarf gehören mittlerweile zum "Netzwerk Berliner Schülerfirmen" (NeBS), das vom Europäischen Sozialfonds und dem Land Berlin gefördert wird. Ziel dieser Initiative ist es, Jugendliche mit Lernschwächen und Behinderungen auf einen Beruf vorzubereiten. Ob in der Bäckerei, im Gartenbaubetrieb, einer Großküche oder in der Schreinerei - berufsübergreifende Kompetenzen wie Teamarbeit, Pünktlichkeit und Verantwortungsbewusstsein zählen in allen 166 Schülerfirmen, die dem Netzwerk angehören. Geld verdienen die Schüler dabei allerdings nicht: Die meist geringen Einnahmen werden für Klassenfahrten und ähnliche Unternehmungen verwendet.

Für die praktische Arbeit begeistern sich die Schüler schnell: Die 17-jährige Sandra, die ebenfalls die Loschmidt-Oberschule besucht, findet es "voll cool", Fahrräder selbst reparieren zu können, und die gleichaltrige Lala bringt mit leuchtenden Augen Rezepte für Mozzarella-Spieße und Fleischbällchen von zu Hause mit in den Fachpraxis-Unterricht. Die Schüler übernehmen Verantwortung und arbeiten manchmal auch abends oder am Wochenende - dafür bekommen sie an anderen Tagen frei.

Blaumachen kommt ihnen nicht mehr in den Sinn: Früher hat fast ein Drittel der Loschmidt-Schüler regelmäßig geschwänzt, heute will niemand von ihnen den fachpraktischen Unterricht verpassen, sagt Wolfgang Foest, der Direktor der Schule. Durch diese Praxis werde den Schülern klar, wozu Dreisatz und Rechtschreibung nützlich sind. "Die Schüler lernen quasi, ohne dass sie es merken."

Trotz der Zusatzausbildung bekommt aber nur ein kleiner Teil von ihnen direkt nach dem Abschluss einen Ausbildungsplatz: Im vergangenen Jahr hatten von 332 Schulabgängern gerade einmal 54 dieses Glück. Grund sei die miserable Lage auf dem Lehrstellenmarkt, sagt Direktor Foest. "Bessere Chancen haben die Jugendlichen aus den Schülerfirmen aber auf jeden Fall", sagt Sebastian Gieselberg von der Trägerfirma des NeBS, der "Arbeit-Schule-Integrations-Gesellschaft" (ASIG).

Dabei sollen den jungen Menschen die Kooperationen zwischen Schule und Wirtschaft helfen, um die die ASIG sich bemüht. Im NeBS gibt es bislang 47 solcher Zusammenschlüsse. Die meisten Firmen stellen dabei Praktikumsplätze zur Verfügung. Dort wird nicht nur auf den Abschluss, sondern auch auf soziale Kompetenzen geachtet. Und mit ein bisschen Glück gibt's nach dem Praktikum einen Ausbildungsplatz, sagen sowohl Gieselberg als auch die beteiligten Unternehmen.

Die Ausbildungszusage hat Nancy bislang noch nicht. Sie wartet auf Post vom Arbeitsamt. Wenn sie es sich aussuchen könnte, würde sie am liebsten wieder irgendwo servieren. Durch ihre Arbeit in der Schülerfirma weiß sie, dass sie etwas kann. Sich selbst muss sie das nicht mehr beweisen. Nur noch einem Unternehmen.

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