PresseEcho
04.03.2006
Berliner Morgenpost
Tempelhof: Schüler gründen Unternehmen - Erfolg mit Grammophonia Berlin: Zwei Tempelhofer überspielen Schallplatten und Filme auf CD und DVD
Von Isabell Jürgens
Während Karel Gott leise vom Plattenteller säuselt, sitzt Christian Schulz konzentriert vor dem Computer und filtert die Vinyl-typischen Knack- und Schleifgeräusche mit einem besonderen Software-Programm heraus. Anschließend brennt der 21jährige die akustisch aufgefrischte "goldene Stimme aus Prag" auf eine CD. Auftrag abgeschlossen, zwölf Euro verdient. Im Dienste der meist älteren Kundschaft konserviert der junge Mann gemeinsam mit seinem gleichaltrigen Partner Artur Borger alte Schallplatten, Tonkassetten, Videos und Super-8-Filme auf CD und DVD. Grammophonia Berlin heißt ihr junges Unternehmen.
Die Arbeitsteilung haben die beiden professionell geregelt. Artur Borger ist für die Buchhaltung, Christian Schulz für Marketing und Kundenbetreuung zuständig. Auch wenn die beiden Zivildienstleistenden in diesen Tagen ihr einjähriges Firmenjubiläum feiern - die Anfänge der Grammophonia GbR reichen zurück in ihre Schulzeit. Vor zwei Jahren gründeten zehn Schüler einer zwölften Klasse der Luise-Henriette-Oberschule die Schülerfirma und gewannen beim bundesweiten Wettbewerb um das beste Juniorunternehmen den zweiten Preis. Nachdem die Mitschüler aus dem Projekt ausstiegen, ging der Betrieb als Zwei-Mann-Unternehmen weiter und wird seither von zu Hause aus betrieben.
Vier freie Mitarbeiter beschäftigt das Unternehmen mittlerweile, alles Schüler, die auf Honorarbasis arbeiten. "Unseren Mitarbeitern zahlen wir etwa soviel, wie Aldi oder Rossmann Schülern zahlt", verrät Artur Borger. Wieviel Gewinn die beiden mit ihrer Grammophonia erwirtschaften, ist ihnen allerdings nicht zu entlocken: "Betriebsgeheimnis", sagen sie. Nur soviel: "Ohne den Zivi-Lohn könnten wir nicht gut leben."
Doch um finanzielle Gewinne geht es den beiden gar nicht so sehr. Sie nutzen ihre Firma dazu, "unbezahlbare Erfahrungen in der freien Wirtschaft zu sammeln", wie Artur Borger es formuliert. Sie wüßten nun, wie man eine Geschäftsidee entwickelt und umsetzt, Buchhaltung und Geschäftsberichte sind längst Routine geworden.
Eine weitere Erfahrung, die die Jungunternehmer frei Haus bekamen: Das Arbeitsleben stellt einen oft vor harte Prüfungen. Etwa, wenn eine Kunde seine James-Last-Sammlung von 70 Langspielplatten vorbeibringt. "Nichts gegen James Last - aber nach der 30 Platte ist man kurz vorm Durchdrehen", sagt Christian Schulz. Teilweise profitiere man aber auch von den musikalischen Schätzen, die ins digitale Zeitalter hinübergerettet werden sollen: "Harry Belafonte und Udo Jürgens habe ich völlig neu entdeckt - die haben zum Teil wirklich tolle Sachen gemacht, die man im Radio nie zu hören bekommt", sagt Christian Schulz anerkennend. Und man erfahre nebenbei auch viel über den einen oder anderen prominenteren Kunden - obwohl "wir natürlich nicht ausplaudern, was auf privaten Super-8-Filmen zu sehen ist", betont er. Aber daß der Grünen-Staatssekretär a. D. Rezzo Schlauch sich anhand seiner umfänglichen Plattensammlung als heftiger Rock'n'Roller zu erkennen gab, das verraten sie dann doch.
Wie es weitergeht mit ihrer Firma, ist derzeit noch offen. Beide wollen studieren - irgendetwas mit Wirtschaft am liebsten und nicht unbedingt in Berlin. "Vielleicht verkaufen wir dann die Firma", meint Artur Borger. Denn die beiden Jungunternehmer tüfteln bereits an einer neuen Geschäftsidee. Christian Schulz: "Die Idee verraten wir natürlich nicht - die soll uns ja keiner wegschnappen."
Grammophonia Berlin, Ringbahnstraße 83, Telefon: 75 51 26 92
Schülerfirmen in Berlin
Stiftung
Bäckereien, Cafés, Gärtnereien, Multimedia-Service oder Fahrradwerkstatt - die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung schätzt, daß es in Berlin 250 Schülerfirmen gibt. Ein Programm der Stiftung unterstützt bundesweit 256 Firmen - darunter 17 in Berlin. Infos im Netz: www.dkjs.de.
Netzwerk
Im Netzwerk Berliner Schülerfirmen sind Projekte an 49 Berliner sonderpädagogischen Förderzentren zusammengeschlossen. Das Netzwerk umfaßt insgesamt rund 165 Schülerfirmen mit 2200 Schülern. Informationen gibt es im Internet unter der Adresse www.nebs.de.