PresseEcho
Februar 2011 | Berlin (Berliner Abendblatt)
Gymnasium oder Sekundarschule - Fünf Fragen an Staatssekretärin Claudia Zinke
Berlin. Noch bis zum 18. Februar läuft die Anmeldefrist für die Kinder der sechsten Klassen an den weiterführenden Oberschulen. Gymnasium oder Sekundarschule ist dann die Frage. Wir wollten von Staatssekretärin Claudia Zinke wissen:
Welche Schule ist die bessere?
Das ist für jedes Kind anders. Schauen Sie zuerst auf die Förderprognose der Grundschule. Die Lehrerinnen und Lehrer, die Ihr Kind in den letzten Jahren unterrichtet haben, wissen oft am besten, wo die Talente Ihres Kindes liegen und wie leistungsfähig es in der Schule ist. Beide Schulen haben ihre Stärken - zum Beispiel die Integrierte Sekundarschule: Jedes Kind kann dort bei entsprechenden Leistungen bis zum Abitur gelangen.
Ist denn ein Abitur an einer Sekundarschule genau so viel wert wie am Gymnasium?
Klar - absolut gleichwertig, auch beim Zugang zur Universität. Es gibt aber einen Unterschied: Am Gymnasium muss man schon nach zwölf Schuljahren die Prüfungen bestehen. In der Integrierten Sekundarschule kommt das Abitur erst nach 13 Jahren. Die Kinder haben also ein Jahr mehr Zeit - und damit auch mehr Zeit für Sport, Musik und andere Freizeitaktivitäten, die auch der Persönlichkeitsbildung dienen. Außerdem sind alle Sekundarschulen Ganztagsschulen - mit geregeltem Mittagessen und Hausaufgabenbetreuung. Und es gibt dort das "duale Lernen" für eine frühe Berufsorientierung, Dank des neuen Fachs "Wirtschaft, Arbeit, Technik". Die Jugendlichen lernen dabei sowohl in der Schule als auch in der Praxis: Das können Betriebe sein, aber auch Schülerfirmen.
Jetzt gibt es ja Schulen, die besonders gefragt sind mit mehr Anmeldungen als Plätzen. Kommen da nicht viele Eltern und Kinder unter die Räder?
Ich meine, dass das neue Auswahlverfahren gerechter ist. Früher war es doch so: Wer näher an einer Schule wohnte, hatte bessere Chancen auf einen Platz als jemand, der weiter weg wohnte. So hat das alte Verfahren zu Tricks mit Zweitwohnungen und Scheinwohnsitzen geführt. Jetzt ist es ganz anders: Erstens entscheiden die Eltern, ob ihr Kind auf Gymnasium oder Integrierte Sekundarschule kommt. Das ist verbindlich. So viel Gewicht hat der Elternwille nicht überall. Dann können die Eltern für ihr Kind insgesamt drei Wunschschulen angeben. Die Schulen können sich jetzt 60 Prozent ihrer Schüler selbst aussuchen - nach Noten oder speziellen Talenten. So viele Auswahlmöglichkeiten hatten die Schulen noch nie. Damit aber jedes Kind eine Chance hat, auf solche Schulen zu kommen, wird über 30 Prozent der Plätze durch Los entschieden. Zehn Prozent sind für Härtefälle vorgesehen.
Und was passiert, wenn mein Kind keinen Platz an der Wunschschule bekommt?
Dann kommt das Kind auf die Zweit- oder Drittwunschschule. Deshalb sollte man keinesfalls als Zweit- oder Drittwunsch-Schule eine Schule angeben, die ebenfalls überlaufen ist. In jedem Fall aber kriegt man einen Platz an einer Schule der gewünschten Schulart: Gymnasium oder Integrierte Sekundarschule.
An den Sekundarschulen wird der Ausländeranteil höher sein als an Gymnasien. Und Kinder, die früher an die Hauptschule gegangen wären, werden in vielen Klassen den Ton bestimmen.
Nein, das ist nicht so. Schon jetzt haben die Sekundarschulen mehr Kinder mit Realschul- oder Gymniasialempfehlung als Kinder mit Hauptschulempfehlung. Außerdem sind die sekundarschulen durchweg besser mit Lehrern ausgestattet asl die Gymnasien. An den Sekundarschulen kümmern sich mehr Sozialarbeiter um schwierige Kinder. Durch die Ganztagsbetreuung haben die Kinder auch ein besseres, positives Lernumfeld. Der Ausländeranteil allein sagt sowieso wenig aus: Kinder aus vietnamesichen Familien zum Beispiel fallen durch ihre herausragenden Schulleistungen auf, natürlich machen auch türkische Kinder Abi und gehen an die Uni und manch deutsches Kind spricht nicht unbedingt besser deutsch als seine Mitschüler aus Bosnien.
Vielen Dank für die Auskünfte.
(Berliner Abendblatt, 12. Februar 2011)